Tokio. Man kann Edelmetall bei Weltmeisterschaften auf spektakuläre Weise gewinnen oder souverän. Die DTTB-Herren entschieden sich gegen Singapur für die zweite Variante. Der Anlass allerdings war ein besonderer: Es ist die 50ste Medaille für Deutschland seit Beginn der Weltmeisterschaften im Jahr 1926 und die zehnte für eine deutsche Herren-Mannschaft.
Das 3:0 des Jörg-Roßkopf-Teams im Viertelfinale von Tokio verlief ähnlich deutlich wie das Gruppenspiel gegen denselben Gegner. Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll und Patrick Franziska, angefeuert von German-Open-Finalist Steffen Mengel, ließen der Nummer 13 der Mannschafts-Weltrangliste keine Chance.
Ovtcharov wies seinem Team den Weg. Der 18-jährige Chew Zhe Yu Clarence, den Steffen Mengel am Montag in der Vorrunde bezwungen hatte, spielte zwar ohne Angst gegen ihn, war jedoch von Tempo, Härte und Variabilität des Weltranglisten-Vierten völlig überfordert. Der amtierende Einzel- und Team-Europameister brachte Deutschland mit einem glatten 3:0 in Führung.
Yang Zi nur auf der Bank bei Singapur
Im Anschluss spielte Timo Boll im zweiten Match gegen Gao Ning innerhalb von sechs Tagen anfänglich noch nicht perfekt, erzielte aber in der Verlängerung des ersten Durchgangs die Punkte, als er sie benötigte und behielt die Nummer 14 der Welt danach komplett unter Kontrolle. „Durch ein gutes Aufschlag-Rückschlag-Spiel habe ich es gar nicht erst zu den offenen Ballwechseln kommen lassen, wo er seine Stärke hat“, beschrieb Timo Boll seine Taktik. „Es war heute eine gute, konzentrierte Leistung von uns allen.“
Gegen den mit 21 Jahren Jüngsten im Quartett von Bundestrainer Roßkopf, Patrick Franziska, bekam überraschend der gleichaltrige Linkshänder Pang Xue Jie seinen ersten Einsatz in Tokio. Pang zog im ersten Satz auf 8:1 davon (Roßkopf: „Er hat losgelegt wie die Feuerwehr.“), doch schon gegen Ende des Durchgangs verstand es der zweifache Mannschafts-Europameister aus Fulda bei seiner Debüt-Team-WM immer besser, die forsche Spielweise seines Kontrahenten zu unterbinden. Satz eins ging noch mit 9:11 verloren. Danach gab sich Franziska keine Blöße mehr. „Ich habe ihm am Anfang genau in die Karten gespielt, dann war er gefährlich. Am Ende lief es bei mir runder und flüssiger“, sagte der Deutsche, für den es der erste Kontakt mit Pang war. „Ich kannte ihn vorher gar nicht.“
Beide Mannschaften spielten in geänderter Aufstellung gegenüber der Gruppenbegegnung. Neben Steffen Mengel für Deutschland saß bei den Südostasiaten der ehemalige Bundesliga-Spieler Yang Zi auf der Bank. Der in der Weltrangliste zweitbeste Singapurer hatte bei der WM nur einen Sieg verbuchen können.
Im Halbfinale gegen Japan / Boll hofft auf "eisiges Schweigen"
Im Halbfinale am Sonntag wartet der erste echte Härtetest auf Team Deutschland. Es geht gegen Gastgeber Japan - mit der heimischen Unterstützung einer zu erwartenden, beeindruckenden Fan-Kulisse in der Yoyogi Arena. Daher fiel die Freude über die deutsche Medaille Nummer 50 gemäßigt aus. Timo Boll ist ohnehin kein großer Fan von Statistiken: „Wir fokussieren uns jetzt völlig auf das Halbfinale“, so Boll, der mit viel Gegenwehr rechnet. „Die Japaner haben ein sehr starkes, junges Team. Uns hat die Heimspiel-Atmosphäre in Dortmund vor zwei Jahren beflügelt. Die jungen Japaner können hoffentlich mit dem Druck morgen nicht so gut umgehen. Wenn es nach uns ginge, könnte morgen am Ende gerne eisiges Schweigen in der Halle herrschen.“
Erste Team-WM-Medaille für Taiwan
Die Ansetzung ist inzwischen offiziell bestätigt. Das deutsche Halbfinale ist um 9.30 Uhr deutscher Zeit. Zuvor stehen sich um 3 Uhr China und, die spektakuläre Variante eines Halbfinal-Einzugs, Taiwan gegenüber. Das Team der Doppel-Weltmeister Chuang Chih-Yuan/Chen Chien-An bezwang Südkorea am Samstag mit 3:2 und sicherte sich die erste Team-Medaille der WM-Geschichte für sein Land. Dabei gelang dem Noch-Bremer Chuang im Duell mit Joo Saehyuk in einer Partie mit atemberaubenden Ballwechseln einer seiner seltenen Siege (Bilanz bis dahin: 2:9) über den besten Abwehrspieler der Welt.
„Wir sind nicht in die Box gestürmt und haben ausgiebig gefeiert wie die Taiwanesen“, sagte Dimitrij Ovtcharov nach dem Singapur-Spiel, für den es bereits die dritte WM-Mannschaftsmedaille ist nach Silber 2010 und 2012. Die große Herausforderung ist die Partie gegen Japan. „Das sind die Matches, für die wir Tischtennis spielen. Es wird bestimmt ein volles Haus.“ Jörg Roßkopf warnt: „Bisher sind wir sehr locker durchgegangen. Das wird sich morgen ändern. Wir stehen mit Japan einer sehr guten Mannschaft gegenüber, die sich gegen Portugal im Viertelfinale stark präsentiert hat.
Das Herren-Endspiel ist am Montag um 9.30 Uhr deutscher Zeit.
Herren-Viertelfinale
Deutschland - Singapur 3:0
Dimitrij Ovtcharov - Chew Zhe Yu Clarence 3:0 (5,8,3)
Timo Boll - Gao Ning 3:0 (11,7,5)
Patrick Franziska - Pang Xue Jie 3:1 (-9,5,4,6)
Japan - Portugal 3:0
China - Österreich 3:0
Südkorea - Taiwan 2:3
Halbfinale am Sonntag, 4. Mai (Alle Angaben in deutscher Zeit)
China - Taiwan, 3 Uhr
Japan - Deutschland - Japan, 9.30 Uhr
Montag, 5. Mai
9.30 Uhr: Finale Herren-Mannschaft
12.30 Uhr: Finale Damen-Mannschaft