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Jörg Roßkopf (Foto: Roscher).

"Immer auf dem Teppich geblieben" - Interview mit Jörg Roßkopf zum Abschied nach 24 Bundesligajahren

DTTL-Mediendienst; Dr. Stephan Roscher 08.04.2010

Sie haben als Weltklasse-Tischtennisspieler viele große Erfolge gefeiert. Welches waren die größten Highlights Ihrer Karriere, woran werden Sie sich immer gerne zurückerinnern?

Jörg Roßkopf: "Es gab natürlich viele schöne Erfolge, große Titel vergisst man aber selten, wie den Europameistertitel im Einzel in Stuttgart 1992 oder den WM-Titel von 1989 im Doppel, der sicher das größte Highlight meiner Karriere war. In Dortmund wurde ein schlafender Riese geweckt und mit dem WM-Sieg im eigenen Land ein einzigartiger Tischtennis-Boom ausgelöst, wie man ihn wohl heute kaum mehr wiederholen könnte. Mit dem Doppel Roßkopf/Fetzner wird man immer den Tischtennissport in Deutschland verbinden, das war ein Erfolg mit nachhaltiger Wirkung. Fünf Olympiateilnahmen waren natürlich auch eine tolle Sache, 1992 in Barcelona hatten wir allerdings unsere Riesenchance, das Finale zu gewinnen, nicht genutzt, aber auch die Silbermedaille war ein Highlight. Überhaupt hatte ich eine tolle Zeit zwischen 1992 und 1996, da habe ich sehr, sehr gutes Tischtennis gespielt. Es war die stärkste Phase in meiner Karriere."

Wissen Sie auswendig, wieviele Einzel Sie bisher in der Bundesliga gewonnen haben oder möchten Sie eine Schätzung abgeben?

Jörg Roßkopf: "In 24 Jahre Bundesliga könnten es an die 500 Siege gewesen sein. Aber solche Statistiken haben mich nie sonderlich interessiert, wichtig sind die Siege, die man mit einer Mannschaft erringt und natürlich auch die großen Einzeltitel."

Wir veraten Ihnen dennoch, dass wir bei unseren Nachforschungen auf 478 Einzelsiege in der Bundesliga gekommen sind, einer weniger als Wilfried Lieck, den Sie aber am Freitag oder Sonntag noch von der Spitzenposition verdrängen können.

Jörg Roßkopf: "Dann habe ich ja gar nicht so schlecht geschätzt. Viel wichtiger als die Frage, ob ich am Ende vor oder hinter Wilfried Lieck stehe, ist aber für mich, ob ich am Wochenende mit der TG Hanau den Klassenerhalt schaffe."

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bundesligaspiel?

Jörg Roßkopf: "Das werde ich auch nie vergessen, 1986 war es, als ich gegen Manfred Nieswand von Altena mein erstes Match bestritt und auch prompt verlor. Das Spiel ging 9:1 für meine Mannschaft Borussia Düsseldorf aus und ich war der Einzige, der sein Spiel verlor. Borussia-Manager Wilfried Micke kommentierte das mit der Feststellung "was haben wir denn da für eine Pfeife gekauft!" Das war natürlich nicht so ganz ernst gemeint und danach habe ich auch schon bald sehr erfolgreich gespielt. Ich war halt zu einem Topteam mit ganz hohem Anspruch gestoßen und bekam das gleich zu spüren."

Sie gelten als sehr nüchterner, realistischer Zeitgenosse. War das auch damals schon so, als sie mit 16 Jahren in der Bundesliga anfingen und schnell in die nationale und später internationale Spitze vorstießen?

Jörg Roßkopf: "Ich denke, ich bin auch als junger Spieler immer auf dem Teppich geblieben und war immer realistisch. Das lag auch daran, dass ich schon damals die meisten Personen zur Seite hatte, die mir bis heute viel bedeuten und auf deren Rat ich mich immer verlassen konnte bis zum heutigen Tag. Ich denke da an Männer wie Michael Bachtler von der Firma JOOLA, bei der ich mit zwölf Jahren meinen ersten Ausrüstervertrag hatte, Hans Wilhelm Gäb, Wilfried Micke, Ralf Wosik, Andreas Preuß oder den damaligen Düsseldorfer Trainer Mario Amizic."

Sie sind also nicht, wie heute manche Fußballer, im jugendlichen Alter mit dem Porsche oder Ferrari zum Training vorgefahren?

Jörg Roßkopf [schmunzelnd]: "Das wäre schon deshalb nicht möglich gewesen, weil wir damals einen Sponsorenvertrag mit Opel hatten."

Welche Geschichte ist Ihnen aus der Bundesligazeit besonders haften geblieben, welches war das unvergesslichste Erlebnis in den 24 Jahren?

Jörg Roßkopf: "Das war ein Europacup-Finale mit Düsseldorf gegen Levallois. Wir hatten dort 1:5 verloren und keiner hatte uns mehr auf der Rechnung, doch wir haben das Rückspiel 5:0 gewonnen. Die Begeisterung war riesig. Überhaupt haben wir damals viele "unberechenbare" Titel mit der Mannschaft errungen. Das war schon eine tolle Zeit, zumal ich schon immer ein großer Fan des Mannschaftssports war und diesen im Tischtennis einfach am schönsten finde. Es macht viel mehr Freude, mit seiner Mannschaft, also gemeinsam, zu gewinnen oder auch zu verlieren, als nur für sich alleine zu spielen."

Es gab aber sicher auch ein Negativ-Erlebnis oder eine Enttäuschung in der langen Bundesliga-Karriere.

Jörg Roßkopf: "Klar, das waren zwei schwere, langwierige Verletzungen, die erste in Düsseldorf 1999 hat mich 14 Monate zurückgeworfen. Damals war meine Schulter kaputt, was durch Überlastung entstanden war. Ich hatte mich auch zu lange fitspritzen lassen und hätte früher auf meinen Körper hören sollen. 2002, da spielte ich dann schon in Gönnern, laborierte ich nochmal neun Monate an einer Verengung der Vene im Ellbogenbereich und hatte dort kein Gefühl mehr. Das war schon bitter für mich, so oft zu fehlen und zuschauen zu müssen. Aber ich habe mich danach ja wieder gut erholt."

Welcher Verein hat Ihre Karriere besonders geprägt?

Jörg Roßkopf: "Das war schon Borussia Düsseldorf, mit denen ich in 14 Jahren 24 Titel geholt habe. Dort bin ich groß herausgekommen unter Mario Amizic. Es war etwas ganz besonderes, in einem Verein so lange zu spielen. Das war auch eine tolle Zeit in der Liga, wir haben oft vor 2.000 bis 3.000 Zuschauern gespielt und es gab meist sechs bis acht sehr starke Teams. Es waren die Jahre nach dem WM-Titel, als Tischtennis so richtig boomte. Neue Sponsoren brachten Geld in den Sport hinein und die Spielergehälter gingen auch in die Höhe, was nicht zuletzt Steffen Fetzner und mir beziehungsweise unserem Titel in Dortmund zu verdanken war. Aber auch die Zeit in Gönnern später mit zwei Champions-League-Siegen war etwas besonderes."

Mit welchem Trainer oder welchen Trainern haben Sie am liebsten gearbeitet?

Jörg Roßkopf: "Eindeutige Antwort: Mario Amizic und Helmut Hampl, die für mich beide ganz oben stehen und noch immer Erstaunliches erreichen. Viel Spaß hat mir aber auch die Arbeit mit Richard Prause gemacht, der auf einem gutem Weg ist, auch ein ganz Großer zu werden."

Ein Tischtennisprofi kommt viel in der Welt herum und lebt viele Wochen im Jahr im Hotel. Sind sie trotzdem immer bodenständig geblieben und war Ihnen die Nähe zur hessischen Heimat stets wichtig?

Jörg Roßkopf: "Ja, das ist mit Sicherheit so. Dabei spielt natürlich auch die Familie eine wichtige Rolle. Der Schritt zurück nach Hessen im Jahr 2000 war mir wichtig, auch weil damals meine älteste Tochter eingeschult wurde. Außerdem hatte ich immer meine besten Freunde zu Hause, die ich teilweise seit Schulzeiten kenne, und die waren und sind mir sehr wichtig. Ich bin froh, dass ich damals nach Gönnern gewechselt bin und vor dieser Saison dann von Jülich nach Hanau."

Hat Ihnen dementsprechend das eine Jahr in Hanau, das nur circa 40 Kilometer von Ihrem Wohnort Groß-Umstadt entfernt ist, nochmals besondes viel Freude gemacht?

Jörg Roßkopf: "Die TG Hanau ist ein toller Verein mit einem tollen Umfeld, ich habe den Schritt wirklich nicht bereut. Die Saison hat sehr viel Spaß gemacht. Wir haben mit drei jungen, unerfahrenen Spielern tolle Leistungen gebracht, sind bis ins Halbfinale des Europapokals gekommen und können jetzt den Klasenerhalt schaffen, jedenfalls sieht es recht gut aus. Der Klassenerhalt wäre unter diesen Umständen so hoch zu bewerten wie wenn Düsseldorf Champions League, Meisterschaft und Pokal in einer Saison gewinnt, also das Triple schafft."

Was werden Sie besonders vermissen, wenn Sie nicht mehr als Spieler in der Box stehen?

Jörg Roßkopf: "Ich hoffe und denke, dass ich nicht viel vermissen werde, und freue mich einfach auf meinen letzten Spieltag. Ich habe lange mit mir selbst gekämpft, ob es der richtige Zeitpunkt zum Aufhören als Aktiver ist, und meine Entscheidung steht. Ich werde als Bundestrainer hinter der Box genauso mitfiebern und nichts vermissen, auch wenn ich dann vielleicht etwas weniger tun und es nicht mehr selbst in die Hand nehmen kann."

Was erwarten Sie von Ihrem Abschiedsspiel: Eine perfekt inszenierte Show, das Treffen vieler Freunde und Weggefährten oder den Klassenerhalt für die TG Hanau?

Jörg Roßkopf: "Ich hoffe auf alle drei Dinge. Die Rahmenbedingungen werden ohnehin stimmen und viele gute Freunde, auf die ich mich sehr freue, werden der Einladung folgen, auch wenn die Toten Hosen und die Bundesligafußballer von Eintracht Frankfurt absagen mussten. Der Klassenerhalt wird das größere Problem sein. Fulda ist für uns ein sehr schwieriger Gegner, der uns nichts schenken wird. Ohne den verletzten Chiang stehen unsere Chancen nicht so gut. Wir müssen aber irgendwie versuchen, ein oder zwei Spiele zu gewinnen, dann wären wir durch."

Ist Ihre künftige Rolle bei der TG Hanau jetzt fixiert, werden Sie gewissermaßen Hanaus Tischtennis-Botschafter, Berater und Repräsentant?

Jörg Roßkopf: "Ja, das steht alles bereits fest und genau so wird es sein. Wichtig wird sein, dass mein Name Türen öffnet, um in Hanau künftig noch mehr zu bewegen. Für den Freitag haben sich zum Beispiel rund 100 potenzielle Sponsoren angesagt. Vielleicht kann ich ja den einen oder anderen überzeugen. Ich wohne gewissermaßen um die Ecke und werde so oft es geht bei den Spielen auftauchen, die Voraussetzungen sind zudem einfach ideal mit Olympiastützpunkt, einem starken Verein und einem vorzüglichen Trainer. Über diesen Weg könnten wir künftig auch Talente in den Profibereich bringen, die bei der TG Hanau anfangen."

 

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