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Da war das 0:3 besiegelt: jubelnder Kao, geschlagener Franziska (Alle Fotos: MS)
Ovtcharov: "Das 0:3 hört sich katastrophal an, aber wir waren gar nicht weit weg davon, heute 3:0 zu gewinnen"

Taiwan beendet Deutschlands nächsten WM-Medaillentraum

SH 23.02.2024

Busan. Taiwan hat den Gewinn der 13. WM-Medaille für eine deutsche Herren-Mannschaft in der 98-jährigen Geschichte von Tischtennis-Weltmeisterschaften verhindert. Im Viertelfinale der Titelkämpfe in Südkorea unterlag das Team des Bundestrainer-Duos Jörg Roßkopf und Lars Hielscher mit 0:3. Dieser nach einer glatten Niederlage klingende Endstand war in Wirklichkeit jedoch ein mehr als zweieinhalbstündiger spannungsgeladener Thriller auf hohem Niveau.

Ovtcharov: "Besser, es passiert hier als in Paris"

"So ein Spiel erlebst du nicht oft! Das 0:3 hört sich katastrophal an, aber wir waren gar nicht weit weg davon, heute 3:0 zu gewinnen", brachte es Dimitrij Ovtcharov auf den Punkt. "Diese Erfahrung erdet uns und wird uns helfen, bei Olympia in Paris noch geschärfter und aufmerksamer ins Turnier zu gehen." Der Olympia-Rekordmedaillengewinner fügte hinzu: "So eine Niederlage haben wir gefühlt die letzten 15 Jahre nicht erlebt. Es ist echt bitter, dass das bei einer WM passiert. Aber besser, es passiert hier als in Paris."

Roßkopf: "Das gibt uns Motivation für die nächsten Wochen"

"Wir sind definitiv enttäuscht, haben im Vorfeld aber schon gewusst, dass Taiwan eine echt starke Mannschaft ist", kommentierte Bundestrainer Roßkopf. "Alle drei Spiele hätten auch in die andere Richtung laufen können. Wir waren in allen drei Spielen gezwungen, ans Limit zu gehen, aber Taiwan war heute immer zwei Punkte besser. Dadurch haben sie den Sieg verdient. Das müssen wir akzeptieren. Es ist gut für uns zu wissen, dass wir Richtung Paris noch eine Schippe drauflegen müssen. Das gibt uns Motivation für die nächsten Wochen."

Qiu: "Erfahrungswerte, die ich mitnehmen muss"

Dem Timo Boll Taiwans Chuang Chih-Yuan gelang im Auftakteinzel das Break gegen Europameister Dang Qiu. Der 42-jährige Doppel-Weltmeister von 2013 spielte vor allem im fünften Durchgang mit einer schier aberwitzigen Mischung aus Antizipation und Reaktion und unglaublichen Platzierungen. Qiu bewies Moral, glaubte auch bei 5:10 im entscheidenden Satz noch an seine Chance. Doch Chuang brachte durch ein 11:9 seine Mannschaft in Führung.

"Zufrieden kann man mit einer Niederlage nie sein. Ich muss Chuang aber Respekt zollen. Er hat wirklich sehr gut gespielt. Ich war überrascht von dem Niveau, das er an den Tag gelegt hat, auch davon, wie schnell er in den Ballwechseln war", so Dang Qiu. Ihn habe mental beschäftigt, dass Chuang zu Satzbeginn immer mit "Big points" in Ballwechseln gepunktet habe, bei denen Qiu am Drücker gewesen sei. "Da habe ich den Faden nicht spielerisch, aber im Kopf verloren."

Selbstkritisch sagte der Weltranglistenzehnte: "Ich muss mich darauf einstellen können, wenn jemand plötzlich auf einem sehr, sehr hohen Niveau spielt. Ich muss das Spiel trotzdem nach Hause bringen. Das sind Erfahrungswerte für mich, die ich mitnehmen muss, und dann geht es weiter."

Lin nur einen Punkt besser als Ovtcharov

Dimitrij Ovtcharov, der bei seiner kurzfristig erzwungenen Materialsuche fündig geworden war, lieferte sich bei der Neuauflage des Olympia-Spiels um Bronze von Tokio mit Lin Yun-Ju ein Hochgeschwindigkeitsduell über den gesamten Tisch auf Weltklasseniveau. Lin unterstrich nach 0:2-Satzrückstand seine Comebacker-Qualitäten und gewann die folgenden drei Durchgänge mit 11:9. Wie eng das Match mit dem ehemaligen Weltranglistenersten Ovtcharov insgesamt war, zeigt die im Tischtennis eigentlich nicht übliche Addition aller Zähler der fünf Sätze. Mit 50:49 erzielte Lin nur einen Punkt mehr als Ovtcharov, an dessen Seite er 2023 mit dem TTC Neu-Ulm im deutsche Pokalfinale triumphiert hatte.

"Von 4:7 auf 9:8 im Dritten dachte ich, ich bin wirklich dran, das Spiel zu holen. Dann hat er drei wirklich starke Bälle gespielt. So ging es in den nächsten zwei Sätzen weiter. Es war immer eng", beschrieb Ovtcharov. "Schade, dass ich das Spiel nicht gewinnen konnte. Ich glaube, ich hätte das Team dann zurückgebracht."

Franziska: "In jedem Satz war die Chance da"

Patrick Franziska unterlag dem nur fünf Ränge hinter ihm an Position 31 der Weltrangliste platzierten Kao Cheng-Jui in vier nervenaufreibenden Sätzen. Der Schlüsselmoment war der Ausgang des zweiten Durchgangs. Nach 2:8-Rückstand und Abwehr zweier Satzbälle für Kao konnte der 31-jährige dreifache European-Games-Champion Franziska seine eigenen vier Satzbälle in der Verlängerung nicht verwerten. Der 19-jährige Shooting-Star Taiwans, der im Achtelfinale gegen Schweden WM-Finalist Mattias Falck deklassiert hatte, gewann Satz zwei mit 16:14 und nutzte den folgenden emotionalen Aufwind zum 3:1-Erfolg über Franziska.

"Taiwan ist durch die Bank sehr gut. Kao ist deutlich stärker geworden und hat sich gut weiterentwickelt", lobte Patrick Franziska seinen Kontrahenten. "Trotzdem ärgere ich mich über das Spiel. Gefühlt hätte ich alle vier Sätze gewinnen können. In jedem Satz war die Chance da."

Halbfinals: Taiwan gegen Frankreich, China gegen Südkorea

Im Endspiel am Samstag treffen die Taiwanesen auf die in Busan an Position vier gesetzten Franzosen, die sich bereits am Donnerstag in ihrer Viertelfinalpartie gegen Portugal den Einzug in die Medaillenränge gesichert hatten. In der oberen Hälfte des Tableaus stehen sich WM-Gastgeber Südkorea und die topgesetzten Titelverteidiger aus China gegenüber.

Wer die Damen aus dem Reich der Mitte bei der WM stoppen soll? Der Deutschland-Bezwinger war es nicht. An Chinas Übermacht bissen sich die Französinnen während der Mittagssession in Busans Messezentrum BEXCO die Zähne aus. Beim 0:3 gelang Prithika Pavade, Jia Nan Yuan und Charlotte Lutz insgesamt nur ein Satzgewinn gegen die Nummern eins, zwei und drei der Welt Sun Yingsha, Wang Yidi und Chen Meng.

Im Endspiel am Samstag um 12 Uhr deutscher Zeit trifft das Reich der Mitte auf die an Position zwei gesetzten Japanerinnen. Beim 3:0 über Hongkong kam nur Doo Hoi Kem im Eröffnungseinzel gegen Miwa Harimoto nach einer 2:0-Führung zumindest in die Nähe eines Sieges. Miu Hirano und Hina Hayata setzten sich im Anschluss ohne Satzverlust durch.

WM-Bilanz von Sportdirektor Richard Prause:
"Reduziert sich nicht auf einen Zweikampf oder darauf, wer der erste Herausforderer Chinas ist"

"Unterm Strich haben wir sehr souverän zwei Viertelfinals erreicht und uns dabei mit den Herren das Olympia-Ticket gesichert, das wir mit den Damen schon bei den Europameisterschaften gelöst hatten. Wir hätten uns gewünscht, mit beiden Teams bei der WM einen weiteren Schritt zu machen. Sowohl mit den Damen als auch mit den Herren hatten wir unsere Chancen dazu.

Auf der einen Seite macht uns das traurig, auf der anderen Seite können wir wichtige Erkenntnisse aus den Spielen ziehen, was wir bis zu den Olympischen Spielen noch verbessern müssen. Tischtennis reduziert sich nicht auf einen Zweikampf oder darauf, wer der erste Herausforderer Chinas ist. Es sind viele Mannschaften, die um die Medaillen spielen. Taiwan ist im Konzert der Großen nicht erst mit dem Sieg heute angekommen. Wir gehören auch dazu, aber es ein schmaler Grat zwischen einer 2:0-Führung und so einer Niederlage, wie wir sie an diesem Tag verkraften müssen.

Das Aus in zwei Viertelfinals ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen vor den Olympischen Spielen, wie wir es vor den Europameisterschaften gemacht hatten, gute Trainingsphasen einlegen und eine gute Planung der nächsten Monaten für Wettkämpfe und Training finden. Dann werden wir wieder angreifen."

Herren-Viertelfinale am Freitag

Deutschland - Taiwan 0:3
Dang Qiu - Chuang Chih-Yuan 2:3 (-8,6,-1,8,-9)
Dimitrij Ovtcharov - Lin Yun-Ju 2:3 (9,8,-9,-9,-9)
Patrick Franziska - Kao Cheng-Jui 1:3 (9,-14,-9,-9)

DTTB-Herren (Weltrangliste: 2): Dang Qiu (10), Dimitrij Ovtcharov (13), Patrick Franziska (26), Benedikt Duda (46)
Taiwan (WR 9): Lin Yun-Ju (WR 8), Kao Cheng-Jui (31), Chuang Chih-Yuan (35), Feng Yi-Hsin (97), Huang Yan-Cheng (121)

Herren-Viertelfinale
China - Japan 3:0
Südkorea - Dänemark 3:1
Frankreich - Portugal 3:1
Deutschland - Taiwan 0:3

Halbfinale am Samstag
China - Südkorea, 5 Uhr
Frankreich - Taiwan, 9 Uhr

Finale am Sonntag, 12 Uhr

Rückblick: Herren-Achtelfinale
Deutschland - Iran 3:0

Dang Qiu - Noshad Alamiyan 3:1 (4,-10,4,8)
Dimitrij Ovtcharov - Nima Alamiyan 3:0 (7,9,8)
Patrick Franziska - Amir Hossein Hodaei 3:2 (-5,5,12,-8,7)

China - Rumänien 3:0
Japan - Österreich 3:0
Slowenien - Dänemark 2:3
Südkorea - Indien 3:0
Frankreich - Polen 3:0
Portugal - Kroatien 3:1
Schweden - Taiwan 2:3

Damen-Halbfinale am Freitag
China - Frankreich 3:0
Japan - Hongkong 3:0

Finale am Samstag, 12 Uhr
China - Japan

Viertelfinale
Deutschland - Frankreich 2:3

Xiaona Shan - Jia Nan Yuan 2:3 (-6,-9,12,7,-6)
Nina Mittelham - Prithika Pavade 3:2 (7,-6,9,-10,7)
Sabine Winter - Charlotte Lutz 1:3 (-9,-8,9,-10)
Mittelham - Yuan 3:1 (8,6,-4,7)
Shan - Pavade 0:3 (-5,-9,-2)

DTTB-Damen (Weltrangliste: 3): Nina Mittelham (17), Xiaona Shan (34), Sabine Winter (54), Annett Kaufmann (78), Yuan Wan (84)
Frankreich (WR 8): Jia Nan Yuan (20), Prithika Pavade (33), Camille Lutz (92), Audrey Zarif (97), Charlotte Lutz (115) 

China - Südkorea 3:0
Taiwan - Hongkong 2:3
Rumänien - Japan 0:3

Achtelfinale
Deutschland - Schweden 3:0
Xiaona Shan - Linda Bergström 3:0 (4,10,8)
Nina Mittelham - Christina Källberg 3:2 (-7,9,5,-10,5)
Sabine Winter - Filippa Bergand 3:0 (7,8,8)

China - Thailand 3:0
Südkorea - Brasilien 3:1
Frankreich - Portugal 3:0
Deutschland - Schweden 3:0
Taiwan - Indien 3:1
Hongkong - Polen 3:1
Rumänien - Ägypten 3:0
Japan - Kroatien 3:0

Die Titelverteidiger

Damen                      
China (Pokal: Corbillon Cup)
2. Japan, 3. Deutschland und Taiwan

Herren
China (Pokal: Swaythling Cup)
2. Deutschland, 3. Südkorea und Japan

Livestreaming / TV: Herren-Finale in der ARD-Sportschau
 
Der Streamingdienst DYN hat sich die Rechte für die Übertragung der Team-Weltmeisterschaften gesichert und überträgt die deutschen Partien bei der WM sowie die Endspiele auch ohne deutsche Beteiligung kostenpflichtig. Es kommentiert Dennis Heinemann.

Die öffentlich-rechtlichen Sender entscheiden tagesaktuell und anhand der Erfolge der deutschen WM-Starter über die Aufnahme ins Programm in ihren Nachrichten- und den Regelsportsendungen wie ARD-Sportschau und ZDF-Sport-Reportage. Eine Live-Übertragung ist nicht geplant. Eine Zusammenfassung des Herren-Endspiels wird voraussichtlich am Sonntag in der ARD-Sportschau zu sehen sein.

Das WM-Aufgebot des DTTB für Busan

Herren
Dang Qiu (Borussia Düsseldorf)
Dimitrij Ovtcharov (TTC Neu-Ulm)
Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken-TT)
Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt)

Damen
Nina Mittelham (ttc berlin eastside)
Xiaona Shan (ttc berlin eastside)
Annett Kaufmann (SV Böblingen)
Sabine Winter (TSV Dachau)
Yuan Wan (TTC Weinheim)

Sportliche Leitung: Richard Prause (Sportdirektor)
Trainer-Team: Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf), Xiaoyong Zhu (Bundesstützpunkttrainer), Sascha Nimtz (Experte für Videoanalysen, Wissenschaftskoordinator IAT Leipzig)
Medizinisches Team: Dr. Thomas Garn (Teamarzt), Dr. Christian Zepp (Sportpsychologischer Experte), Peter Heckert, Annette Zischka (Physiotherapeuten, OSP Hessen in Frankfurt/Main)
Organisationsleitung: Rainer Kruschel (DTTB-Leistungssportreferent)

Schiedsrichter
Christoph Geiger (Bühl)

Öffentlichkeitsarbeit
Manfred Schillings (freier Mitarbeiter DTTB)

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